//Wer gewinnt den Energiekrieg?
„Berlin würde in seinem Fieber, sich von den russischen Energieträgern trennen zu wollen, auch die Druschba für seine Unternehmen vorzeitig schließen, obwohl seine Häfen und die Kapazität die Leitungen von Rostock zu den Raffinerien noch nicht ausreichen, um den Bedarf der deutschen Industrie zu decken, so dass es mit Polen, dem Hafen von Danzig kooperieren, um die Druschba-Pipeline zu nutzen” #moszkvater

Wer gewinnt den Energiekrieg?

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Nach den Vereinigten Staaten hat nun auch die Europäische Union dem russischen Öl den Rücken gekehrt. Die von der Europäischen Kommission verordneter Preisdeckel von 60 Dollar ist ebenfalls in Kraft getreten. Darüber hinaus dürfen die G7- und EU-Mitgliedstaaten sowie Unternehmen aus Australien und Kanada keinerlei Geschäfte in Zusammenhang mit russischen Ölexporten tätigen. Moskau antwortet auf diese Sanktionen, indem es eine Schattenflotte von Öltankern aufbaut. Währenddessen versuchen westliche Länder große Abnehmer außerhalb des westlichen Blocks gegen Moskau aufzubringen. Diese Länder möchten die Situation jedoch lieber zu ihren Gunsten nutzen. Es wird sich bald zeigen, welche der verantwortlichen Parteien aus der gegenwärtigen Energie-Eskalation als Gewinnerin hervorgehen wird.

„Berlin würde in seinem Fieber, sich von den russischen Energieträgern trennen zu wollen, auch die Druschba für seine Unternehmen vorzeitig schließen, obwohl seine Häfen und die Kapazität die Leitungen von Rostock zu den Raffinerien noch nicht ausreichen, um den Bedarf der deutschen Industrie zu decken, so dass es mit Polen, dem Hafen von Danzig kooperieren, um die Druschba-Pipeline zu nutzen” #moszkvater
„Berlin würde in seinem Fieber, sich von den russischen Energieträgern trennen zu wollen, auch die Druschba für seine Unternehmen vorzeitig schließen, obwohl seine Häfen und die Kapazität die Leitungen von Rostock zu den Raffinerien noch nicht ausreichen, um den Bedarf der deutschen Industrie zu decken, so dass es mit Polen, dem Hafen von Danzig kooperieren, um die Druschba-Pipeline zu nutzen”
Foto:EUROPRESS/AFP/Vladimir Simicek

Am Bosporus stehen die Tanker Schlange. Indien hat seine Importe aus russischem Öl in den letzten Monaten versechsfacht und die deutsche Außenministerin versucht in Neu-Delhi, das Land dazu zu bewegen, sich den Strafmaßnahmen des Westens anzuschließen. Nach dem EU-Embargo auf den Seeverkehr hat die Preisdeckelung lediglich eine symbolische Bedeutung. Ihr Ziel ist es, die nicht-westlichen Länder so weit wie möglich in das System der Marktmanipulation zum eigenen Vorteil einzubeziehen. Bei diesem Mechanismus geht es bei weitem nicht nur um den Preis, sondern auch darum, die Handelsbedingungen generell so zu gestalten, dass die Aufrechterhaltung der westlichen Dominanz unterstützt wird. Die Obergrenze von 60 US$ ist für die russische Ölindustrie, ist ein, an sich ein akzeptabler Preis, da es in der jüngsten Vergangenheit des Öfteren vorkam, dass russisches Öl unter diesem Wert gehandelt wurde. Zum Zeitpunkt der Einführung des Preisdeckels wurde das Ural-Öl mit 72 US$ gehandelt. Dabei lag der Selbstkostenpreis im Bereich von 20 bis 40 US$. Jede Einführung einer Preisobergrenze ist für den Exporteur trotzdem inakzeptabel und sei es nur, weil sie versucht einen Handel zu strikten Bedingungen des Käufers zu erzwingen, indem sie neue Marktregel erfindet, die ausschließlich den Interessen des Käufers dienen und die die Belange des Verkäufers komplett außer Acht lassen. Die EU hat bereits angekündigt, dass sie die Preisobergrenze auf Öl immer auf 5 % unter dem Börsenniveau festsetzte. Moskau hatte schon früher schlechte Erfahrungen mit den westlichen Ländern gemacht; der Westen hat bereits zur Zeit der Sowjetunion Druck auf die Börsenkurse gemacht. Dementsprechend besteht für Russland heute die Befürchtung, dass die G7 und die EU den Preis zügig auf etwa 30 Dollar drücken würden.

„In dieser Frage gibt es jedoch eine deutliche Kluft zwischen dem Westen und dem so genannten Nicht-Westen”

Die Anstrengungen Berlins haben demnach wenig Aussicht auf Erfolg. Ein ähnlich gestalteter Versuch wurde bereits von Washington unternommen und obwohl es hierbei um ein globales Schwergewicht handelte, ignoriert z.Bsp. Neu-Delhi standhaft den vorgeschlagenen Preisdeckel.

Deutschland und die anderen europäischen Länder würden sich auch selbst schaden, wenn Indien und China sich den westlichen Strafmaßnahmen anschließen und die Marktregel auf den Kopf stellen würden. Indien ist in den letzten Monaten mit einer Million Barrel pro Tag zum größten Abnehmer von russischem Rohöl geworden. Niemand könnte diese Menge in absehbarer Zeit ersetzen. Es würde Monate, vielleicht Jahre dauern, bis Russland so viel Öl an andere kleinere Länder verteilen könnte. Dies würde zu einem radikalen Rückgang der Produktion und der russischen Exporte führen, der einen Engpass verursachte. Die Folge wäre ein erheblicher Preisanstieg. Darüber hinaus müssten die europäischen Länder mit Indien um das verbleibende irakische, saudische und andere Ressourcen konkurrieren.

„Es wäre also logisch, wenn Deutschland mit Indien verhandeln würde, um mehr Diesel und andere Ölprodukte aus Neu-Delhi zu bekommen”

Indien mach momentan große Gewinne mit der Raffination russischen Öls und dem Reexport von Ölprodukten. Diesen Marktvorteil aufzugeben scheint eher unwahrscheinlich. Delhi erhält Rohöl zum Discountpreis, d. h. unter der Preisobergrenze von 60 US$, und sollte daher an westlichen Maßnahmen grundsätzlich nicht interessiert sein. Deutschland hingegen wird nach dem Inkrafttreten des Ölembargos gegen Russland am 5. Februar dringend Diesel und andere Derivate benötigen.

Darüber hinaus würden Deutschland und Polen im Jahr 2023 auch die Importe über die Pipeline „Druschba = Freundschaft“ auf nationaler Ebene verbieten, obwohl das durch diese Erdölleitung fließende Öl für einige Zeit weder dem europäischen Embargo noch der Preisobergrenze unterliegt. In der Zwischenzeit würden sich diese Länder kräftig einkaufen, wie es andere Länder jetzt bereits vor dem 5. Dezember getan haben.

„Berlin würde in seinem Fieber, sich von den russischen Energieträgern trennen zu wollen, auch die Druschba für seine Unternehmen vorzeitig schließen, obwohl seine Häfen und die Kapazität die Leitungen von Rostock zu den Raffinerien noch nicht ausreichen, um den Bedarf der deutschen Industrie zu decken, so dass es mit Polen, dem Hafen von Danzig kooperieren, um die Druschba-Pipeline zu nutzen”

Diese Situation würde einerseits die Importe weiter verteuern und andererseits Deutschland von Polen abhängig machen, was die deutsche Energiesicherheit angesichts der jüngsten verstärkten Spannungen zwischen beiden Staaten noch verstärken würde. Es ist daher logisch, dass die Deutschen es vorziehen würden, Ölprodukte direkt aus Indien zu beziehen. Unterdessen bereitet sich Moskau seit Monaten darauf vor, westliche Maßnahmen zu umgehen und ihm feindlich gesinnte Länder zu bestrafen. Die OPEC-Länder sind dabei auch seine Partner, denn zum einen kann das Beispiel ansteckend sein und zum anderen liegt es nicht in ihrem Interesse, die Preise zu drücken.

Jetzt droht Moskau auch noch mit Sanktionen – Japan, das von den G7-Staaten eigentlich die Erlaubnis erhalten hat, zu Marktpreisen einzukaufen – wäre davon am stärksten betroffen. Noch wichtiger ist die Tatsache, dass Russland nicht nur dabei ist neue Märkte zu erschließen. Es versucht auch den Transport seiner Produkte selber in die Hand zu nehmen. Da Öl nach Asien nur auf dem Seeweg transportiert werden kann, hat es in den letzten Monaten eine Flotte von Tankern gekauft. Darüber hinaus sichert Moskau diese Transporte über eigene Versicherungsgesellschaften, die ihre Sendungen mit einer staatlichen Garantie abdecken.

„Bislang hat Moskau Berichten zufolge etwas mehr als 100 Tanker gekauft, die 10-15 Jahre auf dem Buckel haben – 29 Tanker der Suezmax-Klasse mit einer Kapazität von über 2 Millionen Barrel, 31 Tanker der Suezmax-Klasse, die etwa 1 Million Barrel Öl transportieren können, und 49 Tanker der Aframax-Klasse mit einer Kapazität von 700.000 Barrel. Es wird aber wahrscheinlich weitere Schiffe einkaufen, da es laut Rystad, einem führenden Analysten auf diesem Sektor, etwa 240 Tanker bräuchte, um die verlorengegangene westliche Transportinfrastruktur zu ersetzen, damit die Exportmengen aufrechterhalten werden können. Der Zustand der Schiffe, die in der Regel für kurze Strecken eingesetzt werden, kann aufgrund fehlender Versicherung und Inspektion zweitrangig sein”

Damit soll sichergestellt werden, dass Moskau trotz der Beschränkungen sein derzeitiges Exportvolumen auch nach dem Verlust des europäischen Marktes beibehält. Neben der Vergrößerung der Flotte und der Entwicklung eines alternativen Haftungsmechanismus könnten eine effizientere Nutzung der nördlichen Schifffahrtsroute und eine vollständige Abkehr vom Dollar-Clearing helfen.

Genauso wie Europa einen hohen Preis für die Abkehr vom russischen Öl und Gas zahlt, leidet Russland unter dem Verlust des europäischen Marktes und durch die Schwierigkeiten der aktuellen Übergangssituation. Russlands Ölexporte haben sich bisher als robust erwiesen – sie sind trotz internationaler Sanktionen lediglich um 400.000 Barrel pro Tag unter das Vorkriegsniveau gefallen. Mittelfristig kann das Land aber lediglich für etwa zwei Drittel seines Angebots Abnehmer finden, so dass ein Rückgang der Ausfuhren unvermeidlich scheint. Die Frage ist, welche Auswirkungen diese Situation auf die Weltmarktpreise haben wird. Laut Fitch Ratings könnten russische Rohölexporte in Höhe von 2 bis 3 Millionen Barrel pro Tag – etwa ein Viertel der gesamten russischen Ölproduktion – bis Anfang nächsten Jahres von den Weltmärkten verschwinden, sobald die EU-Sanktionen gegen russische Offshore-Ölimporte in Kraft getreten sind. Nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) müsste Moskau 2,4 Millionen Barrel Öl pro Tag im Weltmarkt unterbringen, wenn es seine Ölexporte auf dem derzeitigen Niveau halten will. Es wird erwartet, dass die russische Ölproduktion bis Februar 2023 auf 9,5 Millionen Barrel pro Tag sinken wird, was einem Rückgang von 1,9 Millionen Barrel pro Tag gegenüber Februar 2022 entspricht.

„Moskau ist mit Volldampf dabei neue Märkte zu erschließen”

Die russischen Ölexporte nach China beispielsweise sind im Vergleich zum Vorjahr um 55 Prozent gestiegen. Damit ist Russland noch vor Saudi-Arabien der größte Lieferant des „schwarzen Goldes” an das Reich der Mitte. Ein weiterer vielversprechender Markt ist Indien, wo die aus Russland importierten Ölmengen zwischen dem 27. Mai und dem 15. Juni um das 31-fache gestiegen sind. Sogar bis zu 1 Million Barrel russisches Öl pro Tag könnten in einige Länder des Nahen Ostens sowie nach Indonesien, Pakistan und Sri Lanka in Asien, Brasilien und Südafrika gehen. Nach Angaben der Energieberatungsfirma Rystad Energy werden etwa 75 Prozent der russischen Exporte in Asien und in anderen neuen Märkten untergebracht.

Im Jahr 2021 importierte die EU 2,2 Millionen Barrel Öl pro Tag – davon 0,7 Millionen Barrel über Pipelines – sowie 1,2 Millionen Barrel raffinierte Ölprodukte, darunter 0,5 Millionen Barrel Diesel aus Russland. In einem durchschnittlichen Jahr kam fast ein Drittel der gesamteuropäischen Öleinfuhr auf Russland. Im vergangenen Jahr wurden durch diese Exporte etwa 4 Prozent des russischen Bruttoinlandsprodukts umgesetzt, während Erdöl und Erdgas ansonsten 42 Prozent der gesamtrussischen Exporte ausmachen. Auf den Energiesektor entfallen in Russland 34 Prozent der Gesamteinnahmen. Trotz der aktuell hohen Weltmarktpreise rechnet der Haushalt mit einem Rückgang der Einnahmen aus dem Gas- und Ölsektor um insgesamt 8 Prozent in diesem Jahr, um 3 Prozent im kommenden Jahr und um 5 Prozent im Jahr 2025. Die Frage ist, ob Europa in diesem beschleunigten Wettlauf zuerst alternative Quellen zu den richtigen Preisen und in den richtigen Mengen finden wird oder ob Russland seinen verlorenen Marktanteil schneller ersetzen kann.

„In der Zwischenzeit versuchen nicht nur Indien und China, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, indem sie russisches Öl und Gas zu Discountpreisen und in großen Mengen einkaufen. Wie durch das ukrainische Getreidegeschäft, profitiert die Türkei in großem Stil von der Energiekrise”

Nicht nur, dass sie durch den Einkauf großer Mengen günstiger Öl- und Gasprodukte kräftig abgesahnt hat, sie stieg nun auch ins Versicherungswesen betreffend den Seetransport dieser Waren ein. Darüber hinaus stärkt sie ihre geopolitische Position als Gasverteilungs-Hub, wie es Polen in der nordosteuropäischen Region anstrebt. Und die Liste Gewinner ließe sich fortsetzen: Die Vereinigten Staaten profitieren wirtschaftlich und geopolitisch von der Substitution russischer Kohlenwasserstoffe in Europa, aber auch die arabischen Exporteure, Katar und andere sitzen ebenfalls am längeren Hebel.

So wie wir sicher sein können, dass die Beteiligung an der Umgehung der Sanktionen ein profitables Geschäft ist, so wird auch Griechenland, das ein Drittel der weltweiten Tankerflotte kontrolliert, einen Weg finden, seine starke Position bei der Versorgung der Märkte mit russischem Öl zu sichern.

Dieses Land verfügt bereits über eine beträchtliche Erfahrung bei der Umgehung von Sanktionen gegen Länder, wie Venezuela und den Iran und besitzt eine nicht registrierte Flotte von etwa tausend Schiffen. Immer mehr Tanker laufen ohne Angabe des Bestimmungsortes vom Stapel, und es gibt noch mehr nicht gekennzeichnete und gemischte Öltransporte, die als turkmenisch, kasachisch oder sogar litauisch deklariert werden.

„Anders als die Europäische Union hat sogar Amerika die Regeln pragmatisch so angepasst, dass außerhalb Russlands raffiniertes Öl nicht verboten ist, so dass die Raffinerie von Lukoil in Sizilien problemlos Produkte zu US-Häfen liefern kann”

Es ist also schwer zu sagen, wer den Turbo-Energiekrieg gewinnen wird, der mindestens eine ebenso große, wenn nicht sogar größere Auswirkungen auf das globale Gleichgewicht der Kräfte haben wird, als die Front in der Ukraine. Der Kampf ist in vollem Gange, und im Moment geht es eher darum, wer und wie von der neuen Situation profitieren kann.

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Geboren 1961, ist ein ungarischer außenpolitischer Journalist, Analyst und Publizist. Er ist Fachjournalist für Außenpolitik bei der ungarischen Wochenzeitschrift Demokrata sowie Gründungschefredakteur von #moszkvater, einem Internet-Portal über die slawischen Völker, insbesondere die Länder der ehemaligen Sowjetunion. Davor war er 28 Jahre lang bis zu ihrer Auflösung bei der konservativen Tageszeitung Magyar Nemzet tätig, von 2000 bis 2017 als Leiter des außenpolitischen Ressorts. Er war der letzte Moskau-Korrespondent der Zeitung. Sein Interesse gilt dem postsowjetischen Raum und dessen aktuellen geopolitischen Entwicklungen. Stier schreibt regelmäßig für außenpolitische Fachzeitschriften und seine Beiträge und Interviews erscheinen regelmäßig in der mittel- und osteuropäischen Presse. Er ist Autor des Buches „Das Putin-Rätsel“ (2000) und seit 2009 ständiges Mitglied des Waldai-Klubs.