//Die Russen und die Türken – eine wachsende Freundschaft
Die Türken kümmern sich nicht um Ideologien - sie nehmen jeden auf, der bezahlt #moszkvater

Die Russen und die Türken – eine wachsende Freundschaft

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Die Türkei ist einer die eindeutige Gewinnerin des Krieges zwischen Russland und der Ukraine. Da sie sich den Sanktionen nicht angeschlossen hat, ist sie zu einem der Tore Russlands zur Welt geworden, und der bilaterale Handel hat sich mehr als verdoppelt. Das Land entwickelt sich zum größten Drehkreuz der Gasversorgung Europas und ist auch ein wichtiger Exporteur von ukrainischem Getreide. Das Geschäft erzielt momentan gigantische Gewinne. Ankara unterhält auch gute Beziehungen zur Ukraine, zum Beispiel durch Lieferung von Drohnen. Das Ansehen der Türkei wurde auch durch ihre Vermittlungserfolge gestärkt, da Istanbul sich als der erste mögliche Ort für eine diplomatische Lösung der Krise anbietet. Und als ob das noch nicht genug wäre, reisen zahlreiche Russen in die Türkei, um sich zu erholen oder um dort zu leben. Sie kommen meistens nicht mit leeren Händen.

Die Türken kümmern sich nicht um Ideologien - sie nehmen jeden auf, der bezahlt #moszkvater
Die Türken kümmern sich nicht um Ideologien – sie nehmen jeden auf, der bezahlt
Photo:EUROPESS/ONUR COBAN/ANADOLU AGENCY/AFP

Das NATO-Mitglied Türkei ist fast die einzige Nabelschnur Russlands zum Westen. Davon konnte ich mich selbst überzeugen, als ich in diesem Herbst über Istanbul nach Moskau reiste. Die Flugzeuge mit der größten Kapazität sind voll mit russischen Touristen, die hin- und herfliegen. Aber es ist auch eine neue Heimat für viele, die aus Russland ausgewandert sind, um dem Krieg und der Wehrpflicht zu entgehen. Auf Armenien entfielen 15,1 Prozent der ausgewanderten Russen, auf Georgien fast 24 Prozent und auf die Türkei 24,9 Prozent. In anderen Ländern der Region fanden 19 Prozent der Emigranten Zuflucht.

„Während also viele Volkswirtschaften unter den Auswirkungen der russischen Invasion leiden, profitieren einige Länder wie Georgien und Armenien sowie die Türkei von den russischen Migranten und dem damit einhergehenden Wohlstand. Während die georgische und die armenische Wirtschaft um 11 bzw. 15 Prozent wachsen dürften, wird für die türkische Wirtschaft ein Wachstum von 5 Prozent erwartet, was vor allem auf die „segensreichen“ Auswirkungen des Krieges zurückzuführen ist”

Auf Armenien entfielen 15,1% der russischen Auswanderer, auf Georgien fast 24 % und auf die Türkei 24,9 %. In anderen Ländern der Region fanden 19 Prozent der Emigranten Zuflucht.

Eine der sichtbarsten Auswirkungen der starken Zuwanderung ist der Wohnungsmarkt. Die Mieten sind erheblich gestiegen und die Hauspreise erhöhten sich spektakulär. Die Russen kaufen in großem Stil türkische Immobilien. In den ersten 11 Monaten des Jahres 2022 stieg die Zahl der von Ausländern gekauften Immobilien im Vergleich zum Vorjahr um 20,23 %. Von den mehr als 61.000 verkauften Immobilien kauften russische Staatsbürger die meisten – 13,9 Tausend Objekte. Es folgten die Iraner mit 7,54, die Iraker mit 5,89, die Deutschen mit 2,49 und die Kasachen mit 2,43 Tausend Transaktionen. Russen kauften allein im November 2.575 Häuser und Wohnungen, dicht gefolgt von Iranern mit 510 Käufen.

„Nach Angaben der NF Group ist die Türkei eines der drei Länder, in denen russische Bürger am häufigsten Immobilien kaufen. Weitere beliebte Ziele für Russen sind die Vereinigten Arabischen Emirate und Thailand. Vor dem Krieg suchten die Russen am ehesten in Zypern, Griechenland, Spanien und Portugal nach Immobilien”

Dieses gesteigerte Interesse hat auch seine Schattenseiten, denn die Einwohner von Antalya fordern nun, dass die Behörden Ausländern den Verkauf oder die Vermietung von Immobilien auf Dauer verbieten. Sie beklagen, dass die Mietpreise in den letzten zwei Jahren um 400 Prozent gestiegen sind. Der Beschwerde wurde teilweise stattgegeben, da die Behörden keine Anträge von Russen mehr annehmen, die eine befristete Aufenthaltsgenehmigung auf der Grundlage der Anmietung einer Wohnung beantragen. Infolgedessen sind viele gezwungen, das Land zu verlassen. Die Verschärfung der Bestimmungen für Touristenvisa und Aufenthaltsgenehmigungen auf Dauer kann umgangen werden, indem man eine Immobilie im Wert von mehr als 75.000 Dollar kauft oder zum Studieren kommt.

„In den letzten sechs Monaten haben sechsmal so viele Russen eine Wohnung im Ausland gesucht wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres, und dreimal so viele haben gekauft. 30 % der Geschäfte wurden in der Türkei abgeschlossen”

Dieses gesteigerte Interesse ist nicht nur auf das angenehme Klima und die relativ moderaten Immobilienpreise zurückzuführen – eine Wohnung in Strandnähe ist mit denen in der Umgebung von Moskau vergleichbar -, sondern auch darauf, dass der Kauf einer Immobilie auch zu einer dauerhaften Aufenthaltsgenehmigung und in einigen Fällen zur Staatsbürgerschaft berechtigt.

Das Interesse am türkischen Immobilienmarkt wurde von den Russen erstmals vor etwa 15 Jahren geweckt. Sie waren bereits mit dem Land vertraut, da viele von ihnen in die Türkei kamen, um dort Urlaub zu machen und sich zu erholen, und dieser Touristen einige hatten bereits Wohnungen und Ferienhäuser gekauft. In den letzten drei Jahren ist das Interesse jedoch sprunghaft angestiegen, und 2019 erreichte die Zahl der Immobilienkäufe zum ersten Mal die von beliebten Reisezielen wie Spanien und Bulgarien. Die Türkei wurde während der Pandemie aufgrund der relativ laxen Vorschriften noch beliebter. Die Flüge wurden im Mai 2020 wieder aufgenommen und werden nun, anders als in der westlichen Welt, auch während des Krieges aufrechterhalten. Aufgrund der gestiegenen Nachfrage gibt es sogar mehr Flüge als je zuvor.

„Heutzutage sind es nicht nur Russen, die an türkischen Immobilien interessiert sind, sondern auch Ukrainer, Weißrussen, Kasachen und sogar Deutsche und Engländer, die in ihrer Heimat mit zunehmenden Schwierigkeiten konfrontiert sind. Die Türken sind dabei nicht an Ideologien interessiert. Sie willkommen diejenigen, die zahlen können”

Neben geopolitischen Faktoren und dem günstigen Klima macht auch die Tatsache, dass russische Staatsbürger 180 Tage im Jahr – 90 in jeder Jahreshälfte – ohne Einschränkungen in der Türkei verbringen dürfen, den Kauf von Immobilien attraktiv. Und wenn sie ein Haus im Wert von mehr als 75.000 Dollar besitzen, erhalten sie auch eine Aufenthaltsgenehmigung für die ganze Familie, was den Zugang zu Gesundheitsversorgung und Bildung bedeutet.

Und wer eine Immobilie im Wert von über 400.000 Dollar besitzt, hat Anspruch auf den „goldenen Pass2, die türkische Staatsbürgerschaft, mit dem man in 110 Länder einreisen kann. Außerdem ist Russland nicht weit entfernt. Die Türkei hat ein gutfunktionierendes öffentliches Verkehrsnetz und ein angenehmes Klima. Die Lebenshaltungskosten sind 2–3-mal niedriger als in Moskau oder St. Petersburg. Es ist also kein Zufall, dass nach Angaben des Portals Turk.Estate im Jahr 2020 Russen in der Türkei 3.100 Häuser im Wert von 9,2 Milliarden Rubel gekauft haben. Im Jahr 2021 waren es 5.400 und allein im Juni dieses Jahres stieg die Zahl, der an Russen verkauften Häuser auf 1.887. Damit haben die Russen die traditionellen iranischen und irakischen Käufer, die bis jetzt als „Marktführer” galten, überholt.

(Übersetzung: Sándor Nagy)

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Gabor Stier wurde 1961 geboren und ist ein außenpolitischer Journalist, Analyst und Publizist. Er ist Fachjournalist für Außenpolitik bei den Wochenzeitschriften Demokrata und Magyar Hang sowie Gründungs-Chefredakteur von #moszkvater, einem Internet-Portal über die slawischen Völker im Allgemeinen und die Länder der ehemaligen Sowjetunion im Speziellen. Davor war er 28 Jahre lang bis zu ihrer Auflösung der konservativen Tageszeitung Magyar Nemzet tätig, von 2000 bis 2017 als Leiter des außenpolitischen Ressorts. Er war der letzte Moskau-Korrespondent der Zeitung. Sein Interesse gilt dem postsowjetischen Raum und dessen aktuellen geopolitischen Entwicklungen. Er schreibt regelmäßig für außenpolitische Fachzeitschriften, und seine Beiträge und Interviews erscheinen regelmäßig in der mittel- und osteuropäischen Presse. Er ist Autor des Werkes Das Putin-Rätsel (2000) und seit 2009 ständiges Mitglied des Valdai-Clubs. Er ist außerordentlicher Professor für Kommunikation an der Metropolitan University. Mitglied des Vorstands der Tolstoi-Gesellschaft für ungarisch-russische Zusammenarbeit.