„Nem oda korcsolyázunk, ahol a korong van,
hanem oda, ahova majd érkezik.”

Serbien und Irak spuken herum

2023. jan. 30.
Gabor Stier

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Der Krieg in der Ukraine hat mit dem systematischen Angriff auf die so genannte kritische Infrastruktur eine neue Stufe erreicht. Mit dem Erreichen der dritten Stufe der Clausewitz‘schen Triade können die russischen Streitkräfte nicht nur den Widerstand der Gesellschaft brechen, indem sie direkte Konfrontationen vermeiden, sondern auch die Kampffähigkeit der Armee verringern, indem sie die Versorgung der feindlichen Truppen unmöglich machen. Aus ukrainischer Sicht wird die Lage bereits kritisch, und der Wintereinbruch könnte der Zivilbevölkerung das Leben extrem erschweren. Es ist daher nicht verwunderlich, dass in der westlichen Kommunikation die regelmäßigen Raketenangriffe auf die Energieinfrastruktur nun als Kriegsverbrechen behandelt werden. Gleichzeitig wird großzügig übersehen, dass das US-Militär bei der Bombardierung Jugoslawiens oder des Iraks dieselben Taktiken noch intensiver eingesetzt hat.

„Obwohl die Ukraine bereits zu einem Massenkrieg übergegangen ist und ihre Gesellschaft und Wirtschaft mobilisiert hat, kompensieren die russischen Streitkräfte die manchmal 3-4-fache ukrainische Überlegenheit mit einer 6-8-fachen Übermacht an Artillerie. Und sie kann das Hinterland mit gezielten Raketenangriffen auf kritische Infrastrukturen lahmlegen” #moszkvater

„Obwohl die Ukraine bereits zu einem Massenkrieg übergegangen ist und ihre Gesellschaft und Wirtschaft mobilisiert hat, kompensieren die russischen Streitkräfte die manchmal 3-4-fache ukrainische Überlegenheit mit einer 6-8-fachen Übermacht an Artillerie. Und sie kann das Hinterland mit gezielten Raketenangriffen auf kritische Infrastrukturen lahmlegen”
Fotos:EUROPRESS/ANATOLII STEPANOV/AFP

Russland ist weiterhin nicht bereit, einen totalen Krieg mit der Ukraine zu führen. Im Gegensatz zu seinen ursprünglichen Vorstellungen ist es dem Krieg, der sich immer mehr in die Länge zieht, nicht entkommen, aber es ist nicht bereit, seine Armee auf dem ukrainischen Schlachtfeld verbluten zu lassen. Die “besondere Militäroperation” ist jedoch nur eine Annäherung an den Krieg. Zunächst mit einer beschränkten Mobilisierung nach der Aufgabe der Charkiw-Front. Doch ging dann Russland noch einen Schritt weiter, indem es al Antwort auf die Sprengung der Krim-Brücke einen Angriff auf die so genannte kritische Infrastruktur gestartet hat.

Viele Menschen haben nicht verstanden, warum dies mehr als ein halbes Jahr auf sich warten ließ. Es gibt hierfür eine logische Erklärung, wenn wir die Ereignisse in einem größeren Zusammenhang betrachten: Für Russland ist dies nur eine Front in seinem großen Stellvertreter- und Proxy-Krieg mit dem Westen. Außerdem handelt es sich um einen Bruderkrieg, bei dem ziviles Leid vermeiden werden sollte.

„Um den Unterschied zu verstehen: In den ersten Tagen des Irak-Krieges töteten die US-Bombardements Zehntausende von Zivilisten und zerstörten nicht nur wichtige Infrastrukturen, sondern auch einen Teil des Weltkulturerbes. Am Ende hatte der Krieg insgesamt etwa 200.000 zivile Opfer zur Folge”

Auch die Zivilbevölkerung der Ukraine leidet mit rund 20.000 Toten und Millionen von Vertriebenen. Die Bevölkerung sieht sich aufgrund der wiederholten Raketenangriffe auf die Energieinfrastruktur einem extrem harten Winter gegenüber. Zwei Monaten nach ihrer Einführung beginnt die russische Taktik der indirekten statt der direkten Konfrontation zu wirken. Diese Taktik trat nach der Ernennung von General Sergej Surowikin in Kraft. Sie hat nicht nur grundlegende Auswirkungen auf die ukrainische Gesellschaft, sondern auch auf die Kampfkraft der Armee. Moskaus primäres Ziel ist es, die Integrität des Stromnetzes mit wöchentlichen Streiks zu stören. Ein kompletter Stromausfall in der gesamten Ukraine könnte bereits in den ersten Dezembertagen eintreten. Ohne Strom kann weder die Logistik für die Armee noch die übrige Industrie funktionieren.

„Obwohl die Ukraine bereits zu einem Massenkrieg übergegangen ist und ihre Gesellschaft und Wirtschaft mobilisiert hat, kompensieren die russischen Streitkräfte die manchmal 3-4-fache ukrainische Überlegenheit mit einer 6-8-fachen Übermacht an Artillerie. Und sie kann das Hinterland mit gezielten Raketenangriffen auf kritische Infrastrukturen lahmlegen”

In der Zwischenzeit stellt Russland mit Verspätung und langsam seine Armee durch Teil-mobilisierung auf; auch die Rüstungsindustrie hat den Turbogang eingelegt. Obwohl die Verlängerung des Krieges Russland seinem Hauptziel, der Stärkung der russischen Position in der neuen Weltordnung, nicht näherbringt, kann Moskau den ukrainischen Widerstand aufgrund seiner Überlegenheit geduldig niederschlagen. Vor allem, wenn die fianzielle Unterstützung des Westens für die Ukraine nachlässt. Wenn sich der gegenwärtige Trend fortsetzt, kann keine der beiden Seiten einen großen Sieg erringen, aber während die Ukraine zerstört und der Westen – insbesondere Europa – wesentlich geschwächt wird, wird Russland nicht zusammenbrechen.

„Diese Pattsituation könnte früher oder später zu einem Waffenstillstand führen. Aber davon sind wir noch weit entfernt, denn im Moment glauben alle Seiten an den Sieg, und alle bereiten sich auf einen in vielerlei Hinsicht entscheidenden Winter vor”

Kiew und der Westen, der hinter ihm steht, scheinen mit der Lahmlegung kritischer Infrastrukturen nicht zurechtzukommen, weshalb sie an der Kommunikationsfront zurückschlagen und die russischen Raketenangriffe als Kriegsverbrechen bezeichnen. Die Zerstörung der zivilen Infrastruktur bringt zweifellos viel Leid über die Bevölkerung, aber die Rechtsexperten sind sich nicht einig, ob dies ein Kriegsverbrechen sei. Die Politik ist jedoch nicht an juristischen Meinungen interessiert. Von der G7 bis zur Europäischen Union wird Russland durch alle Instanzen beschuldigt. Doch während der Westen sich an der Einrichtung eines Kriegsverbrechertribunals ereifert, vergisst er merkwürdigerweise, dass die USA vor einigen Jahrzehnten mit ihren Bombenangriffen zuerst auf Jugoslawien und dann auf den Irak wichtige Infrastrukturen auf die gleiche Weise zerstörten. 1999 führte die NATO ohne das Einverständnis der Vereinten Nationen 2 300 Luftangriffe auf Jugoslawien durch, feuerte 420 000 Granaten, schoss etwa 12 000 Tomahawk-Raketen ab, zerstörte 25 000 Wohngebäude, 19 Krankenhäuser und 69 Schulen und tötete 2 500 Zivilisten.

Im Kosovo-Krieg begannen die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten ihre Operationen mit einer geplanten Zerschlagung der militärischen Kapazitäten Jugoslawiens. Zuerst wurden die Verbindungen zwischen den militärischen Einheiten und den Befehlshabern zerstört, dann die Kontrolltürme auf den Flughäfen, dann die Landebahnen, die Kampfflugzeuge selbst, die Treibstofftanks und die Waffendepots. Es folgten die Zerstörung versteckter Kommunikations-zentren, dann das Stromnetz, die Bombardierung von Brücken. Dann brach das Regime des Slobodan Milosevic zusammen.

„Damals sagten nur wenige, dass die US-geführte NATO Kriegsverbrechen begeht, und die Proteste wurden moralisch ignoriert und zum Schweigen gebracht, so wie heute die Stimmen, die versuchen, die Einseitigkeit, die Doppelmoral oder die Eskalation der Situation anzuprangern und vor der Verantwortung des Westens zu warnen. Diese Stimmen werden meistens zum Schweigen gebracht”

Man darf ebenso nicht erwähnen, dass die ukrainische Armee kritische Infrastrukturen um Belgorod oder Kursk und in den von Russland kontrollierten ukrainischen Gebieten im Rahmen ihrer Möglichkeiten in gleicher Weise beschießt wie ihr Gegner. Diese Taten werden durch die defensive Rolle der ukrainischen Armee begründet. Aber rechtfertigt die Opferrolle alles? Sogar Kriegsverbrechen?

Der Krieg ist schrecklich, Soldaten sterben, die Zivilbevölkerung leidet und flieht, während andere im Hintergrund ihre geopolitischen Ziele verfolgen oder einfach nur reich werden wollen. In der Zwischenzeit läuft die Propaganda im Informationsbereich auf Hochtouren, und die Wahrheit gehört zu den ersten, die ihr zum Opfer fallen. Oft werden selbst klare Situationen durch den Nebel des Krieges, vor allem aber durch die Medien, verfälscht. Die Mehrheit verkriecht sich in ihrer Blase und ist bereit, nur eine Wahrheit zu sehen. Aber Krieg ist, wie wir in dieser Geschichte sehen, viel komplizierter als das. Eine naive Frage stellt sich: wäre es nicht besser für alle, damit aufzuhören?

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Gabor Stier
Geboren 1961, ist ein ungarischer außenpolitischer Journalist, Analyst und Publizist. Er ist Fachjournalist für Außenpolitik bei der ungarischen Wochenzeitschrift Demokrata sowie Gründungschefredakteur von #moszkvater, einem Internet-Portal über die slawischen Völker, insbesondere die Länder der ehemaligen Sowjetunion. Davor war er 28 Jahre lang bis zu ihrer Auflösung bei der konservativen Tageszeitung Magyar Nemzet tätig, von 2000 bis 2017 als Leiter des außenpolitischen Ressorts. Er war der letzte Moskau-Korrespondent der Zeitung. Sein Interesse gilt dem postsowjetischen Raum und dessen aktuellen geopolitischen Entwicklungen. Stier schreibt regelmäßig für außenpolitische Fachzeitschriften und seine Beiträge und Interviews erscheinen regelmäßig in der mittel- und osteuropäischen Presse. Er ist Autor des Buches „Das Putin-Rätsel“ (2000) und seit 2009 ständiges Mitglied des Waldai-Klubs.

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